Thema: Richtiger Therapieansatz?

Deutsches Alexithymie Forum > Fragen und Antworten

Richtiger Therapieansatz?
25.03.2021 von User15077B44

Nabend zusammen,
ich finde das Thema recht kompliziert und bin mir nicht mal sicher ob ich wirklich zu dieser Gruppe Menschen gehöre.

Aufgewachsen bin ich "normal" - ich hatte Gefühle, war sogar sehr emphatisch und eher gebeutelt von meinen Gefühlen, da ich zu meinen Eigenen auch noch die von anderen mit empfand. Ich war für einen Mann eher überemotional und dadurch meistens in der Defensive. Ich hab zwar in meiner Kindheit das ein oder andere Trauma erlebt, erinnere mich aber selbst nicht daran (is awen kompliziert und würde hier den Rahmen sprengen).

Durch ein (für mich) traumatisches Ereignis habe ich wohl selbstverschuldet binnen eines halben Jahres etwa meine Gefühle so tief vergraben, dass ich bis heute nicht mehr dran gekommen bin. Ich kann immernoch Gefühle lesen, kann auch die beschreiben, die mich selbst betreffen/bzw. eben nicht betreffen, aber ich sprüre Gefühle fast gar nicht mehr bzw. wie durch eine wahnsinnig dicke Glocke.

Ich arbeite nun seit über einem Jahrzehnt daran meine Gefühle wieder zu erlangen und während ich am Anfang noch ein Zombie war, habe ich zwar aus meiner Sicht schon einiges Erreicht, allerdings merke ich doch immer wieder, dass da halt noch immer kaum was ist, ich mich nur an dieses niedrige Level gewöhnt hab. Richtiges Glück, Freude, geschweige denn Vorfreude, empfinde ich praktisch gar nicht bis auf kurze (also bruchteil einer Sekunde kurz) Ausbrüche, die gleich wieder "erstickt" werden.

Interressanterweise, ich kannte den Begriff ja nicht, hat aber noch kein Therapeut je davon gesprochen, geschweige denn eine Therapie angeboten. Ich selbst bin, zumindest innerlich auch zwiehgespalten, denn ich erinnere mich ja noch, wie sehr ich früher von meinen Gefühlen gebeutelt war. Auf der einen Seite ist ein Leben ohne schöne Gefühle halt nicht so wirklich lebenswert, auf der anderen Seite bin ich aber auch nicht mehr Spielball meiner Gefühle und ihnen wehrlos ausgeliefert. Da ich aber auch als Mensch gereift bin finde ich es einfach schade, dass ich z.B. über den Tod meiner Mutter nie richtig trauern konnte, obwohl wir eigentlich ein sehr inniges und tiefes Verhältnis hatten. Als Mann bin ich natürlich durchsetzungsstärker, selbstbewusster und nicht mehr so ein Weichei, obwohl ich mir davon ja einiges wieder erarbeitet hab.....

Leider klappt das mit der Rückkehr der schlechten Gefühle besser als mit den guten....doof, aber ich habe die Hoffnung, dass das Absicht ist, damit ich am Ball bleibe und lerne mit ihnen um zu gehen, bevor ich die guten genießen kann und dann faul werde, mich mit den schlechten zu beschäftigen ;).

Ich fand den Test ehrlich gesagt auch schwierig, weil es eigentlich schon immer 2 von mir gab - den "Äußeren" und den "Inneren". Verändert und gefühllos wurde nur der Innere, der Äußere kann lachen, witze machen, sich mitfühlend verhalten usw. Ich war ja die meiste Zeit meines Lebens auch emphatisch und ich bin ja nicht "döfer" geworden ;). Es ist halt ein hohles Lachen, eher eine körperliche Reaktion ohne Substanz und Basis. Die wenigstens Menschen wissen daher wie Gefühllos ich bin.

Bleibt für mich die Frage - welcher ist der richtige Therapieansatz um mal ein bisschen Geschwindigkeit bei der Rückgewinnung der Gefühle auf zu nehmen. Damit ich nicht noch mit 60 ohne Gefühle leben muss.

LG Thomas

01.04.2021 von User45121C83

Hallo Thomas,
du schreibst, dass du schon seit über 10 Jahren daran arbeitest, deine Gefühle wiederzuerlangen. Das ist ja ein ganz schön langer Zeitraum. Ich glaube, dann wird das bei mir wohl nie was mit den Gefühlen, wenn das bei anderen schon so lange dauert... Bei mir ist es so, dass ich entweder so geboren wurde oder es ist in der frühesten Kindheit (also unter dem dritten Lebensjahr) entstanden, weil ich noch nie positive Gefühle fühlen konnte, und negative auch nur seeeehr eingeschränkt und davon auch nicht die ganze Palette (ich kenne z. B. weder Wut noch Trauer/Traurigkeit noch Ekel oder was es sonst noch so gibt. Mein Gefühlsreichtum beschränkt sich hauptsächlich auf Scham und sowas wie Angst). Meine Familie kann es gar nicht glauben. Ich konnte auch nicht über den Tod meiner Mutter trauern, im Gegensatz zu meinen Geschwistern. Meine Mutter starb als ich 18 war. Ich habe in meiner Kindheit eigentlich nichts traumatisches erlebt. Ich kann mich jedenfalls an nichts erinnern. Für eine Frau bzw. damals Mädchen war ich also völlig unemotional. Eigentlich für einen Menschen überhaupt ?. Ich habe auch mein ganzes Leben lang ohne Gefühle geweint, aber das Weinen war echt! Nur fühlen konnte ich dabei nie! Mir hat eine Traumatherapeutin gesagt, dass sie mit Menschen wie mir arbeiten würde (sie hatte aber keinen Platz frei). Für mich klingt das so, als ob du auch von einer Traumatherapie profitieren könntest? Es ist allerdings nicht so leicht einen Platz zu bekommen. Ich hatte mal mit 20 ungefähr ein positives Gefühl, für ein paar Sekunden, also nur so ein kurzer Ausbruch, wie Du es auch beschreibst. Seitdem weiß ich, dass ich ganz schön was verpasst habe und komme mir echt erbärmlich vor, weil ich nicht mal wusste, dass es positive Gefühle gibt bzw. ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe, warum ich keine habe. Ich war sogar irgendwie erleichtert, als ich dann tatsächlich mal ein negatives Gefühl fühlen konnte (so mit 15 ungefähr). Wusste erst gar nicht, was das ist. Kommt mir ja jetzt echt wie ein Wunder vor, haha. Ich weiß bis heute nicht, um welche Gefühle es sich in den beiden Fällen handelte. Und ja, auch über die fehlende Wut oder sowas hab ich mir keine Gedanken gemacht. Aber ich kannte es ja auch nicht anders, es war normal für mich.
LG Kati

Einloggen